Kurz vor Jahresabschluss wurde unser neues Gebäude 6 feierlich eingeweiht. Weshalb es ein „Energieeffizienzhaus“ ist und was das bedeutet, erfahren Sie in diesem Gespräch mit dem verantwortlichen Architekten Ingo Krümmel.
DMG: Was bedeutet es, wenn ein Haus als energieeffizient eingestuft wird?
Ingo Krümmel: Ein Effizienzhaus ist ein energetischer Gebäudestandard. Er setzt sich aus zwei Kriterien zusammen: Wie hoch ist der Gesamtenergiebedarf der Immobilie? Und wie gut ist die Wärmedämmung der Gebäudehülle? An diesen beiden Schrauben kann man drehen, um das Gebäude in Richtung Energieeffizienz auszurichten.
DMG: Und wie weit haben wir die Schrauben bei unserem neuen Gebäude gedreht?
Ingo Krümmel: Das neue DMG Gebäude ist ein Effizienzhaus 55 EE. Das „EE“ steht dabei für „Erneuerbare-Energien-Klasse“, also den Anteil der regenerativen Energien, die genutzt werden. Effizienzhaus 55 bedeutet, dass das Gebäude nur 55 % der Primärenergie benötigt im Vergleich zu einem Referenzgebäude aus dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG). Zudem liegt der Transmissionswärmeverlust bei nur 70 %. Der bauliche Wärmeschutz ist somit um 30 % besser.
DMG: Wurden dafür einfach dickere Wände gebaut oder wie konnte diese Klasse erreicht werden?
Ingo Krümmel: Dickere Wände im Sinne von mehr Dämmung: ja. Neben der Dämmstärke ist die Wärmeleitgruppe der Baustoffe relevant: je dichter, desto weniger Wärmeverlust. Moderne Wärmeschutzfenster ermöglichen niedrigste Werte und geringe Wärmeverluste.
Den Standard 55 EE zu erreichen, würde ich schon als ambitioniert bezeichnen. Erreicht haben wir dies unter anderem durch eine hohe Gebäudeleittechnik zur automatischen und an den Außentemperaturen orientierten Steuerung der Gebäudekühlung. Darüber hinaus gewinnen wir Wärme aus der Abwärme der Gebäudelüftungsanlage zurück.
DMG: Welche Rolle spielt die Photovoltaikanlage bei der Energieeffizienzklasse?
Ingo Krümmel: Die Photovoltaikanlage wird das Gebäude inklusive Wärmeerzeuger bei guten Bedingungen vollständig und autark mit Strom versorgen. Trotzdem wird sie in der Einstufung „EE“ nur zu einem geringen Teil herangezogen. Die Stadt Hamburg betrachtet an dieser Stelle nicht die Gesamtwirkung, sondern fährt zweigleisig: bei Dachsanierungen oder Neubauten ist die Installation von Photovoltaikanlagen inzwischen gesetzlich vorgeschrieben. Die Erneuerbare-Energien-Klasse wird im Wesentlichen am zusätzlichen Einsatz regenerativer Energien, sprich Wärmepumpen, Solarthermie oder ähnlichem festgemacht.
Wir haben bei diesem Gebäude eine hybride Lösung gewählt durch den Einbau einer Wärmepumpenanlage in Kombination mit einer effizienten Gasbrennwertanlage. Diese wird ausschließlich im Bedarfsfall hinzugezogen, bei sehr niedrigen Außentemperaturen. Durch den Einsatz der Wärmepumpenanlagen wird der Verbrauch von fossilen Brennstoffen deutlich reduziert. Dies führt außerdem zur Reduzierung der Kosten für den Zukauf von Erdgas und einer deutlichen Verminderung des CO2-Ausstoßes. Es lohnt sich auf lange Sicht sowohl ökologisch als auch ökonomisch.
DMG: Wurde bei der Materialauswahl das Thema Umweltfreundlichkeit mitgedacht?
Ingo Krümmel: Tragwerkkonstruktion, Fertigteil-Stützen und Binder sind als Stahlverbundkonstruktion mit einem Anteil von 90 % recyceltem Stahl ausgeführt.
Bei gewerblichen Flächen wird allerdings immer auch das Thema der Bewirtschaftung priorisiert. Was kostet mich die Pflege und Werterhaltung einer Immobilie über einen langen Zeitraum? Diese Überlegungen führen häufig automatisch zu nachhaltigeren Maßnahmen, aber die Motivation ist eine andere: Materialien der Gebäudehülle wurden vor allem hinsichtlich ihrer Langlebigkeit, ihres Pflege- und Wartungsaufwands und der Werterhaltung gewählt. Die Wahl fiel auf Aluminiumkonstruktionen für Fenster, Türen und andere transparente Fassadenbauteile mit industriell fertig beschichteten Oberflächen, sowie robuste Konstruktionen bei beweglichen Bauteilen wie Fenster und Türen, die für geringen Wartungs- und Instandhaltungsaufwand sorgen.
Außerdem nehmen wir eine extensive Dachbegrünung vor. Dachbegrünungen leisten einen ordentlichen Beitrag zum Stadtklima. Sie kühlen und nehmen CO2 auf. Durch sie wird im Sommer Wärme gespeichert und nicht an das Gebäude abgegeben. Gleichzeitig erhält das Gebäude eine zusätzliche Isolationsschicht. Begrünte Dächer können Regenwasser speichern und es langsamer an die Umgebung abgeben – so werden die mittlerweile für auftretende Regenereignisse zu kleinen Regenwassersiele in Hamburg entlastet. Dachbegrünung beugt also auch Überschwemmungen durch Rückstau vor.
DMG: Wir danken herzlich für das ausführliche und informative Gespräch.